Donnerstag, 13. März 2014

Anmaßung von Gerechtigkeit und der Gerechtigkeitsschwindel

Reihe: Der Anderen Meinung - Die Wahrheit liegt stets in der Mitte


Über die Anmaßung von Gerechtigkeit und den Gerechtigkeitsschwindel 


Von Gerechtigkeit gezeichnet tief
und durch Gleichheit alle Kraft verloren,
die Gesellschaft laut um Hilfe rief,
doch keiner war dazu erkoren.

(aus: Karsten Cascais, Spruchsammlung, Auf Glauben gründet das Begehren der Kannibalen zum Verzehren, 2013)

Nachdem Kaiser, Führer und sogar Gott wie auch die meisten überkommenen Idole selbst ausgedient haben, einen scheinbar über jeden Zweifel erhabenen Angelpunkt in der gesellschaftlichen und damit auch politischen Auseinandersetzung abzugeben, haben wir heute die Gerechtigkeit als universellen Klarmacher auf den Thron gehoben und sie zudem in vielen Gesellschaften noch durch den Begriff der sozialen Gerechtigkeit geadelt - soweit gar, dass selbst die an sich der Rechtswahrung verpflichteten Verfassungsrichter mit ihr den ganzen übrigen verfassungsrechtlich vorgegebenen und an sich ewig gültigen Wertekatalog aushebeln. Die promiskiösen Dienste einer absoluter Gerechtigkeit sind zum Grunddogma des herrschenden Sozialhedonismus erhoben worden. Wir erinnern in diesem Zusammenhang an zwei Beträge in diesem Blog  zu diesem Thema:

Anmaßung von Gerechtigkeit

Ein jeder, der über Gerechtigkeit philosophiert, findet genau soviel Ungerechtigkeit vor, das ist zwingend. Denn was dem einen gerecht ist, wird einem anderen immer ungerecht sein. Der Mensch ist ein Mangelwesen, schon mehr als hundert Sekunden ohne Luft bedrohen sein Leben. So ist es mit allem. Mangel bedeutet aber stets, dass der, der was bekommt, Glück hat und das als gerecht empfindet, und der, der leer ausgeht, hält dies dementsprechend für ungerecht. Die Arbeiter in Rumänien, die noch das biologische Existenzminimum kennen (und nicht ein durch Sozialfunktionäre theoretisch ermitteltes), empfinden es als gerecht, Arbeitsplätze zu bekommen, die Arbeitnehmer bei Nokia in Deutschland, die, obgleich sie ihr Bestes gegeben haben, ihren Arbeitsplatz verlieren, empfinden es als ungerecht – wenn auch die Rumänen glücklich wären, durch ihre Arbeit soviel zu verdienen, wie den Deutschen auch nach Hartz IV bleibt. Jeder, der vor Gericht war, weiß, dass Gerechtigkeit von jedem dort mit bestem Gewissen für sich beansprucht wird, obwohl doch nur einer eigentlich Recht haben kann. Im individuellen Bereich dient die Vorstellung von Gerechtigkeit der Steuerung und Korrektur eigenen Verhaltens im Hinblick auf die Interessen eines anderen, mit dem man in Berührung kommt. Hier durchläuft auch jede allgemeine Regel, die wir gemeinhin als Recht bezeichnen, in der konkreten Anwendung die individuelle Gerechtigkeitskontrolle. Auch wenn ein Vertrag mir dieses oder jenes Recht gibt, kann mir mein Gewissen sagen, dass dessen Durchsetzung im konkreten Ergebnis dennoch ungerecht ist. In der Gesellschaft aber ist die Gerechtigkeit eine inhaltsleere Scheme, denn Bedeutung kann sie dort nur dadurch erlangen, dass man ihr etwas Bestimmtes zuordnet. Das macht nun jeder nach seinem individuellen Erlebnis, somit gibt es soviel Gerechtigkeiten wie es Menschen gibt. Das ist auch der Grund, warum zu jeder Zeit und auch für alle Zukunft ein Kommentator nie mehr Gerechtigkeit und nie weniger Ungerechtigkeit als heute finden wird, es hängt nur vom eingenommenen Standpunkt ab. Verkennt man dies, wird Gerechtigkeit, wie jeder zur Absolutheit tendierende Begriff zu einer Geißel des Zusammenlebens. Davor stehen wir. Die Gesellschaft lebt von abstrakten Regeln, Formen, Symbolen, über die sich ihre Mitglieder absprechen. Regel aber bedeutet Recht und nicht Gerechtigkeit. Ein allgemeines Gesetz gilt für jeden an jedem Ort und zu jeder Zeit, damit ist mit dem Gesetz auch die unvermeidbare Ungerechtigkeit vorgegeben. Da eine jede Gesellschaft aber nur durch Regel und Rechtsicherheit bestehen kann, sind die Ungerechtigkeiten in Kauf zu nehmen. Oder anders, je mehr unter dem Namen der Gerechtigkeit geschieht, umso unsicherer wird das Recht. Ob wir auf der Straße links oder rechts fahren, ist an sich gleich, wichtig ist nur, dass wir uns auf eine Regel einigen. Diese Regel ist dann aber auch in jedem Fall einzuhalten, ganz gleich, ob sie manchmal zu wenig gerechten Ergebnissen führt, weil es Menschen gibt, die rechts und links nicht unterscheiden können. An sich können sie ja nichts dafür, es ist ihnen angeboren. Würde man aber für sie die Regel korrigieren, was diese sicherlich als gerecht empfinden, würde man bei anderen Unfälle verursachen, die die Regel für allgemein verbindlich beachten, was diesen gegenüber wieder sehr ungerecht wäre. Hätte eine Gesellschaft sich wirklich der Gerechtigkeit verschrieben, dann wäre sie verloren, denn nur die lückenlose Anwendung von Recht und nicht die Gerechtigkeit vermag gesellschaftlichen Zusammenhalt zu begründen. Alles andere gehört religiösen Vorstellungen von einer besseren Welt an, weswegen in der Gesellschaft die Vorstellung von Gerechtigkeit auch immer mit einer behaupteten Allmacht gepaart vorkommt, wie wir sie früher nur Gott beilegten. Ein jeder aber, der sich für allmächtig hält, blanken Fußes über das Meer zu gehen, ertrinkt. Wo die Sicherheit des Rechts zugunsten der Gerechtigkeit fehlt, kehrt das Chaos zurück und das ist der Tod. Gevatter Tod ist auch nicht gerecht, er greift die Menschen ausschließlich nach Willkür von der Bahre. Leben und auch lebensfähige Gesellschaften können nur existieren, wenn sie die unveränderlichen Bedingungen für die Bildung des Lebens beachten. Da findet sich aber weder Gerechtigkeit noch Gleichheit (wie etwa die wissenschaftlich eigentlich unbestrittene Tatsache, dass weit über 50 % menschlicher Begabung genetisch bestimmt sind, was nicht zu unserem modernen Demokratieverständnis passt). Wir können in unseren die Gesellschaften bildenden Absprachen versuchen das eine oder das andere auszugleichen. Aber schon der Blick auf die Welt zeigt, dass wir uns dabei allenfalls wie mit einem kleinen Boot auf den wilden Ozeanen bewegen. 28.01.2008


Der Gerechtigkeitsschwindel


Sozialpolitiker wie Kirchenvertreter bombardieren uns seit Jahrzehnten mit sich ständig verschlechternden Zahlen zur Armut der Bevölkerung und sind sich dabei –nach dem Motto der Zweck heiligt die Mittel- zu jederlei statistischen Taschenspielertricks nicht zu schade. So stieg aufgrund solcher Tricks etwa die Zahl der in armen Haushalten lebenden Kinder von 1 Mio. im Jahre 2003 um 150 % auf 2.5 Mio. im Jahr 2005, seither ist die neue Kinderarmut in aller Munde. Die statistische Armutsgrenze ist infolge ihres statistischen Konstrukts (60 % eines statistisch ermittelten Durchschnittseinkommen ohne Berücksichtigung etwa von Schwarzarbeit oder familieninternen Leistungen) rasant gestiegen und beträgt heute mit knapp 1.000 Euro mehr, als viele durch ihre Arbeit überhaupt verdienen und zumindest früher glücklich gewesen wären, verdient zu haben. Auf der anderen Seite haben sich die Sozialausgaben pro Kopf in den letzten Jahrzehnten verdoppelt, in keinem Bereich wurden so viele neue Arbeitsplätze geschaffen wie im Sozialbereich. Und die behauptete Gerechtigkeitslücke hat mittlerweile dazu geführt, dass mehr als 41 % der deutschen Bevölkerung seinen Lebensunterhalt mehrheitlich aus staatlichen Sozialleistungen bezieht, in den neuen Bundesländern sind es 47 %, in Berlin mehr als 60 %. Dafür wird ein Drittel des gesamten Staatshaushalts verwandt. Ein Drittel der arbeitenden Bevölkerung trägt diese Lasten, sie bringen 80 % der Einkommensteuer auf, ein Zehntel der Bevölkerung zahlt mehr als die Hälfte des gesamten Einkommen- und Lohnsteueraufkommens. So sieht die Gerechtigkeitslücke in Wirklichkeit aus. Jedoch werden die Forderungen der Funktionäre und Sozialpolitiker immer dreister. Nachdem die sozialistischen Umverteilungsmodelle in den Arbeiter- und Bauernparadiesen allesamt gescheitert waren, hat man sich ganz rasch der Gerechtigkeit als revolutionären Antriebssatz besonnen. Gerechtigkeit ist in jedem Menschen wie Liebe und Verantwortung eines der Links, die das Individuum mit anderen verbindet und hierdurch erst ein Zusammenleben ermöglicht. Gerechtigkeit kennt somit jeder aus eigener täglicher Erfahrung, sei es als Verpflichtung oder als Forderung, nicht anders als die Liebe. So wie die Liebe bezieht sich die Gerechtigkeit auf alles, was ein Mensch erfahren und erlangen kann. Auf abstrakter Ebene jedoch, also als gesellschaftliche Regel zwischen vielen Menschen taugt sie konkret, also gewissermaßen bei Wort genommen nicht mehr und nicht weniger als etwa die Liebe taugt. Liebe in Bezug auf Vaterland, Führer, Idole sind uns als Missbrauch geläufig, keine andere Gefahr aber läuft auch eine allein durch ihren individuellen Gefühlswert bestimmte abstrakte Form der Gerechtigkeit. In der politischen Auseinandersetzung instrumentalisiert, wie dies immer mehr geschieht, kollidiert sie mit dem bestehenden Recht (die Vorstellung von einer gesellschaftlichen Gerechtigkeit dient dazu, das bestehende Recht zu relativieren), vor allem ganz rasch mit den staatsrechtlichen, verfassungsrechtlichen Grundlagen (unter dem Schlagwort der Gerechtigkeit befreien sich Forderungen von verfassungsrechtlichen Bindungen wie denen des Eigentumschutzes- Enteignung nur gegen angemessene Entschädigung- oder einer verfassungsrechtlichen Steuergerechtigkeit –die allgemeine Steuerbelastung darf 50 % auf Dauer nicht übersteigen- oder, ein aktuelles Beispiel aus der Diskussion über „gerechte“ Managergehälter, der Berufsfreiheit –die Freiheit von Unternehmern, Manager an ihren Vermögens-Zuwächsen zu beteiligen-). Die nebulösen Vorstellungen einer scheinbar innerhalb einer Gesellschaft existierenden Gerechtigkeit fegt alle solch wohlbedachten und ausgewogenen Grundsätze vom Tisch. Das ist eine andere Art der Revolution. Gerechtigkeit ist Realität, aber nur als Pflicht und Forderung in jedem Einzelnen, in der Gesellschaft kann ihr nur symbolhafte Bedeutung zukommen, nicht anders als etwa der Liebe. Symbolhaft bedeutet aber immer definierte Sinnhaftigkeit. Das heißt, wir müssen uns vorher darüber einigen, was in der Gesellschaft als gerecht gelten soll. Indessen gibt es keinen abstrakten Inhalt einer Gerechtigkeit, der schlüssig aus ihr abzuleiten wäre. So etwas gewinnt man nur aus der Analogie zum eigenen Erleben und dieses ist vielfältig. Daher versteht auch jeder, erst einmal selber betroffen, unter Gerechtigkeit etwas anderes und in der politischen Auseinadersetzung instrumentalisiert und missbraucht, steht zu befürchten, dass die immer mehr von staatlichen Transferleistungen abhängige Mehrheit schlicht ihre Vorstellungen zur Verpflichtung der sie unterhaltenden Minderheit mit ihrer Hilfe durchsetzt. Der Gerechtigkeit wird damit die Bedeutung beigelegt, das von einer Gruppe politisch Gewollte wertmäßig zu antizipieren. So wurde totalitär stets gearbeitet, zuerst werden die Wertmaßstäbe verändert und dann wird ausgegrenzt. Daher wird es höchste Zeit, dass alle klare Worte reden und die Selbstbedienung der Sozialfunktionäre und der ihnen folgenden Politiker am scheinbaren Gerechtigkeitsideal beenden. So gibt es keine (allgemein verbindliche) Gerechtigkeit, die gleiche Einkommens- und Vermögensverhältnisse für alle fordert. Auch gibt es keine Gerechtigkeit, die eine andere Güterverteilung verlangt, als sie sich aus den zu ihrer Schaffung erbrachten Leistungen ergibt. Das sind sozialrevolutionäre Zielsetzungen, die von denen, die die Werte erarbeiten, gerade nicht geteilt werden. Auf der anderen Seite gibt es eine Menge Aufgaben, auf die wir uns in den modernen Staaten geeinigt haben, sie als gerecht zu bezeichnen, wie die Chancengleichheit, vor allem in Bezug auf Ausbildung. Auch gehört eine Sicherstellung der allgemeinen Lebensgrundlagen dazu, wobei aber bereits die Methoden zu deren Ermittlung in Zweifel stehen. Alle diese Zwiste und unterschiedlichen Auffassungen versuchen uns die Sozialpolitiker und –funktionäre mit einer Gerechtigkeitsvorstellung a la Friede, Freude, Eierkuchen zu übertünchen. 02.02.2008

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